Der Hirntod als Voraussetzung für Organtransplantationen
Den sogenannten "Hirntod" gäbe es ohne die Intensivtherapie nicht.
Das grundlegende Problem der Transplantationsmedizin ist nämlich, daß man lebende Organe nur lebenden Menschen entnehmen kann. Zu diesem Zweck wurde also der Tod neu definiert um eine Organentnahme zu legalisieren. Die Leitkriterien der Hirntodbestimmung wurden 1968 von der Harvard Medical School definiert und seitdem immer weiter aufgeweicht. Aber: Immer mehr Ärzte und Wissenschaftler ziehen diese Kriterien in Zweifel.
Früher war der Tod eingetreten, wenn ein Mensch nicht mehr atmete und keinen Puls mehr hatte und auch alle anderen sicheren Todeszeichen zeigte. Erst dann galt er als tot, denn nachdem er aufgehört hatte zu atmen, konnte es in Einzelfällen durchaus vorkommen, daß die sicheren Todeszeichen erst viele Stunden später auftraten. In dieser Zeit hatte man das Empfinden, als schwebte der Mensch zwischen Leben und Tod und könnte weder das eine noch das andere erreichen.
Ein Organspender ist warm und rosig und bewegt sich auch manchmal. Es gibt gelegentlich Zeichen von Hirntoten, die vermuten lassen, daß sie entgegen allen Verlautbarungen doch noch einiges von dem mitbekommen, was man ihnen antut. Es kann Schmerzreaktionen oder Abwehrbewegungen geben und auch bestimmte Werte können sich auffällig verändern. Hinzu kommt, dass wir einfach nicht wissen, wann das Bewusstsein stirbt oder den Körper verlässt, denn man kann Bewusstsein nicht messen!
Ich persönlich hege aufgrund eigener Erlebnisse, vor allem den in diesem Buch geschilderten, größte Zweifel an der Hirntoddefinition und lehne sowohl die Organspende wie auch den Empfang eines Organs ab. Ich will nicht Schuld am Ausweiden eines lebendigen Menschen sein, weil ich schon seit Jahren keine Angst mehr vor dem Sterben habe. Ich habe eher Angst davor, nicht sterben zu können oder zu dürfen, obwohl ich nicht mehr leben kann!
Das so viel gerühmte neue Leben mit einem transplantierten Organ sieht meist gar nicht so rosig aus: Man muß eine ganze Menge hochwirksamer Medikamente einnehmen, die leider auch Nebenwirkungen haben. Die Immunsuppressiva unterdrücken das körpereigene Abwehrsystem, das das fremde Organ sonst angreifen würde. Deshalb werden zusätzlich noch andere Medikamente eingesetzt, die die Nebenwirkungen in Schach halten sollen. Da die Abwehr des Körpers gegen Infektionen und Krebs durch die Immunsuppressiva ebenfalls herabgesetzt wird, resultieren daraus weitere Krankenhausaufenthalte. Aufgrund der Medikamente können auch Leber oder Niere Schaden nehmen. Und dann gibt es noch die Abstoßungsreaktionen und nicht zuletzt psychische Probleme.
Es ist häufig für viele Menschen gar nicht so einfach, mit einem fremden Organ zu leben. Zu ihm haben sie häufig eine eigenartige Beziehung: Manche geben ihm einen Namen und reden mit ihm. Sie können es oft, auch wenn sie es wirklich wollen, nicht als etwas eigenes annehmen. Manche kämpfen mit dem Gefühl, am Tod eines anderen Menschen schuldig geworden zu sein. Viele möchten zu gerne wissen, wer das war, dessen Organ sie jetzt in sich tragen. Der Tag, an dem sie ihr neues Organ bekamen, war ja der Todestag eines Anderen. Das quält sie oftmals. Gleichzeitig sind sie und ihre Familien dem Organspender sehr dankbar.
Und dann gibt es noch diejenigen Patienten, die sich mit dem neuen Organ verändern. Manche essen anders oder verändern ihre Verhaltensweisen. Das wirkt dann oftmals so, als würde das bzw. der Fremde in ihnen durchbrechen. Auch nach der Transplantation gibt es merkwürdige Zustände wie Verwirrtheit, Angst und Depressionen bis hin zum Suizid ...
Das vorher körperliche Problem kann also nach einer Transplantation durchaus zu einem seelischen werden - ein Teufelskreis. Die meisten Organempfänger werden kein normales Leben mehr führen können und bleiben aufgrund des Medikation und der damit verbundenen Nebenwirkungen der Transplantationsmedizin bis zu ihrem Lebensende als Patienten erhalten.